Werbung und Schwingen war mehr als hundert Jahre lang so wenig denkbar wie eine Sex-Kolumne im «L'Osservatore Romano», dem Leibblatt des Papstes. Aber der Lauf der Zeit lässt sich auch im vaterländischen Sägemehl nicht aufhalten.
Ernst Schläpfer, König von 1980 und 1983, der einst wegen verbotener Werbung für ein paar Feste gesperrt worden war, erkannte klug die Problematik durch die steigende Popularität des Schwingens. Als Obmann des Verbandes legalisierte der ehemalige SP-Politiker die Werbung, sorgte aber für geordnete Verhältnisse.
Nach wie vor kennt kein anderer Sport ein so restriktives Werbereglement. Aber seit 2010 dürfen die «Bösen» Werbegelder kassieren. Im Gegenzug liefern sie zehn Prozent ihrer Werbeeinnahmen dem Schwingerverband (ESV) ab. Das Geld wird zweckgebunden in die Nachwuchsausbildung investiert.
Jeden Herbst nimmt ESV-Geschäftsführer Rolf Gasser (seit 1. Mai 2025 im Ruhestand) jeweils Einblick in sämtliche Werbeverträge und schreibt jedem die entsprechende Steuerrechnung. Neu macht dies sein Nachfolger Reto Bleiker.
So kommt es, dass Schwingen auch weltweit der Sport mit der grössten Transparenz in Sachen Werbung ist. Aus «Reichtums-Steuereinnahmen» lässt sich nämlich offiziell die Gesamtsumme der Sägemehl-Werbegelder errechnen. Die Zahlen dürften stimmen: Es ist ja nicht möglich, für alle sichtbar Werbung zu machen und die Einnahmen dafür zu verheimlichen.
Die Werbeeinahmen der «Bösen» (im Schwingen sind die Bösen die Guten) kennen nur eine Richtung: Nach oben. Seit 2010 ist Werbung erlaubt, 2011 ist die «Reichtumssteuer» zum ersten Mal erhoben worden.
Geht es auch künftig so weiter? Der vormalige ESV-Geschäftsführer Rolf Gasser sieht nicht mehr viel Luft nach oben. «Der Markt ist begrenzt auf die Deutschschweiz und wir stossen wahrscheinlich bald an die Grenzen unserer Möglichkeiten.»
Die Frage ist natürlich: Wie viel Geld verdienen die einzelnen Schwinger mit Werbung? Im ersten Jahr (2010) hatten 30 Schwinger Werbeverträge. Heute sind es etwas mehr als 100, die sich die Gesamtsumme teilen.
Offizielle individuelle Zahlen gibt es nicht. Alle in den Medien genannten Werbeeinkommen der einzelnen «Bösen» sind Schätzungen. Die Beteiligten hüten sich, Zahlen zu nennen oder sie zu bestätigen.
Krösus dürfte Christian Stucki sein. Der König von 2019 ist zwar nicht mehr aktiv. Aber er ist nach wie vor mit Abstand der populärste Schwinger und auf bestem Wege, als vaterländische Werbeikone ein «Bernhard Russi im Sägemehl» zu werden. Kenner schätzen seine Werbeeinahmen auf rund 700'000 Franken.
Damit ist auch klar: Nach wie vor gibt es im Sägemehlring keine Werbe-Millionäre und das Werbegeld dürfte ungefähr gleich ungerecht verteilt sein wie der Reichtum im richtigen Leben: «Nur ganz, ganz wenige erzielen Einnahmen von über einer halben Million», sagt Gasser. Wie viele? «Vielleicht zwei oder drei.» Und fügt an: «Die meisten Schätzungen sind übertrieben.»
Fast alles für die Titanen und nur wenig ihre Herausforderer. Rund 80 Prozent der mehr als 3 Millionen Franken Werbegelder sacken die 10 bösesten der Bösen ein.
Insgesamt treten beim Eidgenössischen knapp 300 Männer an. Richtig «böse», landesweit populär und für richtig gut bezahlte Werbung interessant, sind nicht viel mehr als 20 von ihnen. «Die meisten verdienen mit der Werbung bloss einen Zustupf», relativiert Rolf Gasser. Die Naturalpreise vom Gabentempel inklusive Siegermuni sind von der «Reichtumssteuer» befreit.
Erlaubt sind Werbeaufschriften von persönlichen Sponsoren mit einer Gesamtfläche von 90 cm2 auf allen getragenen Kleidungsstücken inkl. Rucksack, aber nicht auf Wettkampf- und Festkleidung.
Während der gesamten Gangdauer muss die komplette Bekleidung und die Ausrüstung vollständig werbefrei sein. Selbst Hersteller-Logos sind verboten. Auch das «Schwingplatz-Personal» (Recheler, Täfelibuebe, Kampfrichter) muss bei der Ausübung ihrer Tätigkeit absolut werbefrei sein.
Erlaubt sind Aufdrucke auf Kopfbedeckungen (Mütze oder Hut) mit einer maximalen Gesamtfläche von 30 cm2 je Kopfbedeckung. Werbeaufschriften von Sportartikelfirmen auf Kleidungsstücken gelten nicht als Zusatzwerbung, sofern diese 16 cm2 nicht überschreiten.
Geregelt sind auch die Autogrammkarten: Maximal A5-Format, Name und Titel des Schwingers sind auf der Vorderseite erlaubt, Werbung ist nur auf der Rückseite gestattet.
In der Arena darf nach wie vor keine Werbung platziert werden.